Die Nachfrage nach glutenfreien Lebensmitteln ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Laut einer aktuellen Studie sagen vier Prozent der Deutschen, dass sie auf eine glutenfreie Ernährung achten. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Nielsen stieg allein der Umsatz mit glutenfreien Backwaren von gut 97 Millionen Euro im Jahr 2017 um rund 11 Prozent auf 108 Millionen Euro in 2019. Bei Süßwaren, dem zweitgrößten Marktsegment, wuchs der Umsatz um 88 Prozent von 43,6 auf 82 Millionen Euro.

„Wir beobachten, dass glutenfreie Lebensmittel in vielen Produktbereichen bei den Verbrauchern immer beliebter werden. Besonders in den vergangenen drei Jahren ist ein klarer Trend zu erkennen“, teilte Nielsen mit.

Die Deutschen seien „bewusste Esser“, sagte Birgit Czinkota von dem Marktforschungsunternehmen. Was auf den Teller komme, sei „häufig eine bewusste Entscheidung für die eigene Gesundheit, aber auch für Aspekte wie Nachhaltigkeit oder Umwelt“.

 

Tatsache oder doch bloß eine Modeerscheinung?

Das Thema Nahrungsmittelunverträglichkeiten polarisiert: Einerseits gibt es einen anhaltenden Trend zum Konsum glutenfreier Produkte, andererseits werden immer öfter auch kritische Stimmen laut: Sie behaupten, ein Großteil der Unverträglichkeiten sei pure Einbildung der Konsumenten. Auch über den Unterschied zwischen Allergien und Intoleranzen herrscht bei weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor Unsicherheit mangels fachlichem Hintergrundwissen. Fakt ist jedoch: Es liegt nach wie vor im Trend, sich weizen- und glutenfrei zu ernähren. Fast jeder fünfte Deutsche verzichtet laut einer Umfrage des Rundfunks Berlin Brandenburg ganz oder teilweise auf glutenhaltige Nahrungsmittel. Konkret verzichten 3,4 Prozent der 1.026 bundesweit Befragten vollständig auf glutenhaltige Lebensmittel, weitere 14,8 Prozent meiden diese zumindest zum Teil. Dabei erfolgt laut Studie nur jeder fünfte Glutenverzicht aufgrund einer ärztlichen Diagnose.

Wie reagiert die Branche und was sind die Konsequenzen?

Die Nachfrage nach hochwertigen glutenfreien Produkten wächst und das, obwohl die Mehrheit der glutenfreien Produkte auf dem Markt einen Mangel an Struktur und Geschmack aufweisen. So gibt es immer mehr Bäckereien in der Branche, die sich diesem Thema widmen und sich auf glutenfreie Produkte spezialisiert haben. Die Bäckereien setzen dabei beispielsweise Leinsamen und Kartoffelstärke anstatt Weizenmehl ein, und Sauerteig lässt das Brot reifen. Beim Frühstücksbrötchen muss der Bäcker allerdings noch tiefer in die Trickkiste greifen. Damit der Teig formbar wird und stabil bleibt, werden Zusatzstoffe eingesetzt, die aus Cellulose erzeugt werden. Sie kommen überwiegend als Verdickungsmittel in der Lebensmittelindustrie vor und eben auch dort, wo glutenfreies Brot gebacken wird.

Glutenfrei ist ein Trend, Bio ist auch weiterhin gefragt, weiß Tobias Schuhmacher, Geschäftsführer des Detmolder Instituts für Getreide- und Fettanalytik (DIGeFa). Wie sehr sich heute die Backwelt – ganz gleich, ob Handwerk oder Industrie – auf Moden im Ernährungssektor einstellen müssen, zeigte ein weiterer Vortrag den Fachleuten: „Es gibt eigentlich drei große Trends. Zum einen geht es darum, Neues zu erfinden wie beispielsweise „Broffins“ als Mischung zwischen Brownie und Muffin. Ein zweiter Trend verfolgt konsequent das traditionelle Backhandwerk. Und der dritte Trend beschäftigt sich mit der Kommunikation. Kunden wollen heute auch wirklich wissen, was im Brot oder Brötchen drin ist", so Schuhmacher. Daran hätten sich nicht nur die Großbäckereien gewöhnt, sondern auch die kleinen in der Region, sagt Eduard Nikel. Natürlich sei das auf Widerstände gestoßen. „Doch wenn man sich einmal die Arbeit gemacht hat, ist das eine wichtige Information für den Verbraucher."